Wir können als Menschheit nur davon profitieren, wenn wir unser Wissen gegenseitig austauschen
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Aktualisiert: vor 3 Tagen
Hannes Schleeh, Geschäftsführer Existenzgründerzentrum Ingolstadt GmbH und Vorsitzender der International Hidden Champions Association

Herr Schleeh, wie oft sind Sie denn in den letzten Jahren in China gewesen?
Mehr als zehn Mal seit 2015. Zwei Mal 2024 und 2023 ganze drei Wochen.
"Mittelständler sollten sich ein eigenes Bild von China machen - am besten auf von uns und der CIIPA organisierten Reisen."
Warum lohnt es sich, dort hinzureisen - auch als Teil einer der Delegationen?
Uns wird in Deutschland ein völlig verzerrtes Bild von China in den Medien vermittelt. China entwickelt sich auch derart schnell, dass unsere Medien und deren Berichterstattung gar nicht mitkommen. In China nennt man das Chinese Speed. Wir versuchen deshalb mittelständische Unternehmer davon zu überzeugen, sich ein eigenes, ungetrübtes Bild, von dem Land zu machen. Das geht am besten auf von uns und der CIIPA organisierten Reisen. Was viele Teilnehmer dann auch vor Ort überrascht und überzeugt ist die Gastfreundschaft und Lebensfreude der Chinesen. Bisher konnten wir alle Teilnehmer von Land und Leuten begeistern.
Ein weiterer Vorteil einer Teilnahme an einer unserer Delegationsreisen, ist der intensive Austausch mit den anderen Unternehmern auf der Reise.
Als drittes Argument führe ich die vielen Innovationen an, die es mittlerweile in China gibt. Früher sind Unternehmen aus Deutschland ins Silicon Valley gepilgert, um den Spirit dort zu erleben und zu sehen, was das kommende „One more thing“ sein wird. Heute würde ich dazu in die Greater Bay Area, nach Shenzhen oder Guangzhou, nach Shanghai und Hangzhou reisen.
Bei Ihrem letzten Besuch, welche Innovation hat Sie persönlich denn am meisten beeindruckt?
Wir waren 2016 zum ersten Mal bei BYD in Shenzhen und im Oktober zum zweiten Mal. Die bauen inzwischen nicht nur unglaubliche Fahrzeuge, sondern haben auch in der Batterie-Technologie die Nase vorn. Die neuen Blade-Akkus haben mich besonders fasziniert. Es ist schon erstaunlich, welche Entwicklung allein diese Firma in den vergangenen acht Jahren hingelegt hat.
Wie ist denn das Gefühl” wenn man so eine rasante Entwicklung wahrnimmt und auch an die Konsequenzen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit denkt?
Aus meiner Sicht müssen wir uns in Deutschland wieder auf unsere früheren Stärken, wie Fleiß, Erfindergeist und Innovationskraft konzentrieren. Zudem wäre in manchen Industriezweigen Demut hilfreich und die Fähigkeit die Trägheit zu überwinden, die durch ein trügerisches Überlegenheitsgefühl über die Jahre entstanden ist.
Wir brauchen wieder ein Mindset der Dichter und Denker und weniger Ausruhen auf den alten Lorbeeren.
Ist es vielleicht der stattgehabte Erfolg der letzten Dekaden, die die deutschen Ingenieure und Manager hat betriebsblind werden, oder gänzlich verschlafen lassen?
Deutschland hat immer noch enormes Potential und ein hohes Know How, unsere Präzision zeichnet uns und unsere Produkte heute noch aus, aber der lang anhaltende Erfolg macht nicht nur träge, sondern manchmal auch blind für die Erfordernisse des Marktes.
Satte Gewinne und andauerndes Wachstum sind manchmal auch Innovationsfeindlich. Wer schlachtet denn schon gerne seine Cash-Cow? Gerade im Automotiv-Sektor erwarten die Kunden neben einem ohne Pannen fahrendem Auto, ein ausgezeichnetes und schnell reagierendes User-Interface. Die Kunden sind von ihren Smartphones verwöhnt und erwarten im Fahrzeug dieselbe Schnelligkeit. Das fehlt leider bei manchen deutschen Automobilherstellern. Statt sich bei Spaltmaßen gegenseitig zu übertrumpfen, sollte aus meiner Sicht die Nutzer-Erfahrung im Fahrzeug schnell verbessert werden. Vor allem für den chinesischen Markt, denn dort stehen die Fahrzeuge inzwischen häufiger im Stau als bei uns und die chinesischen OEM’s können das inzwischen sehr gut.
"Wir haben in unserer Region sehr viele gut ausgebildete Menschen, das lässt mich erwartungsvoll in die Zukunft blicken."
In den Kreis derer, die Deutschland, Bayern und seine Autoindustrie vor dem Untergang sehen, reihen Sie sich nicht ein? Ein Detroit wird Ingolstadt aber nicht werden, oder?
Aus meiner Sicht sind wir Deutschen auch Weltmeister im Schlecht-Reden und Jammern. Einen Untergang sehe ich nicht, jedoch einen starken Einbruch. Die fetten Jahre sind vorbei und die Automobilindustrie muss sich schnell an die neuen geänderten Rahmenbedingungen anpassen. Das wird nicht ohne Probleme gehen. Gerade in Ingolstadt und dem Herzen von Bayern sind wir sehr stark von der Mobilitätsindustrie geprägt. Die Verantwortlichen haben aber schon länger die Probleme erkannt und es werden Maßnahmen zur Verbesserung der Resilienz ergriffen. Wir haben in unserer Region sehr viele gut ausgebildete und fähige Menschen, das lässt mich trotz einiger dunkler Wolken am Himmel erwartungsvoll in die Zukunft blicken.
Wo sehen Sie Kooperationspotenziale? Gibt es die überhaupt noch?
Kooperationspotenziale gab es schon immer und wird es auch weiterhin geben. Man kann immer gegenseitig voneinander lernen. Das war vor 300 Jahren bereits so, als Professoren der Ingolstädter Universität nach China gingen und dort ihr Wissen am Hof des Kaisers vermittelten. Diese Professoren kamen mit neuen Ideen und Wissen aus China zurück. Heute ist es nicht anders: Wir können als Menschheit nur davon profitieren, wenn wir unser Knowhow und Wissen gegenseitig austauschen. Der Tenor sollte sein: „Lernen von den Besten“. In vielen Bereichen lernen wir heute von China.
Interview geführt von Hans Gäng, local global GmbH
Weitere Interviews aus dem CIIPA-Jahresbericht 2024/2025 finden Sie hier: https://www.ciipa.de/ciipa-jahresreport-2024-2025
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