DEKRA: “Unsere Reise der Internationalisierung geht weiter”
- CIIPA
- 8. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Interview mit Stan Zurkiewicz, CEO DEKRA.

Herr Zurkiewicz, zum Jubiläumsjahr von DEKRA waren Sie beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Mit welchen Themen haben Sie sich dort eingebracht?
DEKRA hat in diesem Jahr am WEF in Davos teilgenommen. Wir waren der Meinung, dass es in diesem besonderen Jahr unseres Jubiläums wichtig ist, sich an diesem globalen Dialog zu beteiligen. Wir haben uns in zwei Bereichen aktiv engagiert: Ich bin der CEO Climate Alliance beigetreten, in der sich CEOs führender Unternehmen für Nachhaltigkeit einsetzen. Der definitive Klimawandel, den die jüngsten Copernicus-Daten bestätigen, ist eine der wichtigsten globalen Herausforderungen. Und ich bin im Automotive Governor's Circle: Als weltweit und mit großem Abstand größter Akteur im Bereich der Fahrzeugprüfung wollen wir uns an der Diskussion um die Zukunft des Automobils.
“Wir brauchen dringend Vertrauen im Handel mit gebrauchten E-Fahrzeugen”
Wie ist denn Ihr Beitrag zu dieser Diskussion in diesem für die europäische Autoindustrie so schwierigen Jahr?
Unser wichtigster Beitrag war der zur Elektromobilität. Sie ist ein wichtiger Teil der Mobilität der Zukunft, zumindest im Personenverkehr. Aber mit dem Tempo der Einführung haben viele Länder, insbesondere hier in Europa, aber auch weltweit, zu kämpfen. Die Diskussionen drehen sich meist um den Preis der Elektrofahrzeuge und mögliche staatliche Förderungen. Es geht immer noch um Reichweite, Ladezeit und die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur. Wir sind überzeugt, dass dabei etwas Wichtiges übersehen wird - nämlich das Funktionieren des Gebrauchtwagenmarktes für Elektrofahrzeuge. Dieser Markt ist bislang noch nicht existent.. Dabei verlieren Elektrofahrzeuge innerhalb von drei Jahren geschätzt 60 Prozent ihres Wertes. Selbst bei “nur” 40 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises sind reine Elektrofahrzeuge schwerer zu verkaufen. Die Höfe der Händler stehen voll mit gebrauchten Elektrofahrzeugen. Unser Argument, nicht nur in Davos: Wir müssen dringend einen Weg finden, um Vertrauen im Handel mit gebrauchten E-Fahrzeugen zu schaffen. Verbraucher, ob B2B oder B2C, haben kaum Transparenz, wenn es um den Restwert, den Zustand und die Leistung von EV-Batterien geht. Dabei machen sie doch die Hälfte des Fahrzeugwerts aus. Unser Job ist, Vertrauen in die Betriebssicherheit des Automobils herzustellen - das sind übrigens die historischen Wurzeln von DEKRA.
Wie stellen Sie Tausende von Kfz-Ingenieuren bei DEKRA auf diese alte, aber technisch so neue Aufgabe ein?
Über die Elektrifizierung hinaus gibt es für uns weitere fordernde Elemente: Software, die das Fahrzeug immer stärker definiert, die Konnektivität, das automatisierte Fahren. Unsere traditionelle technologische Kompetenz lag bei den mechanischen Komponenten des Fahrzeugs. Wir haben unsere Expertise zur Sicherheit und Umweltverträglichkeit der Fahrzeuge stark erweitert. Bei Software, Cybersicherheit und Konnektivität ist das kein einfacher Weg. Wir haben dazu in den letzten Jahren eine Reihe von Akquisitionen und massive Investitionen in F&E getätigt. Und es geht hierbei nicht mehr nur um Fahrzeuge. Wir haben dadurch auch Kompetenz in anderen Bereichen erworben.
Wie positioniert sich DEKRA beim brisanten politischen Thema der Verfügung über Daten der intelligenten und vernetzten Fahrzeuge?
Die Regulierung in diesem Bereich steht erst am Anfang. Der rechtliche Rahmen dafür ist noch nicht geschaffen. Es gibt hier unterschiedliche Positionen der verschiedenen Interessengruppen in der Automobilindustrie. Unsere Position ist einmal mehr eine klassische DEKRA Position: Wir haben in Deutschland gesetzlich vorgeschriebene Bestimmungen für Verkehrssicherheitsprüfungen und handeln im hoheitlichen Auftrag. Fahrzeuge auf der Straße müssen den Sicherheits- und Umweltanforderungen entsprechen. Dafür sorgen wir in vielen Ländern der Welt, mit 32 Millionen Prüfungen sind wir Weltmarktführer. Die Weiterentwicklung der Fahrzeuge hat schon jetzt einen Punkt erreicht wird, an dem wir für die Sicherheit des Fahrzeugs und die Einhaltung der Umweltstandards auch einen Zugang zu den fahrzeuginternen Daten und zu den Verkehrsdaten benötigen.
“Wir haben eine führende Position in Europa und decken die wichtigsten Schlüsselregionen der Welt ab.”
Sprechen wir über die rasante Globalisierung von DEKRA, durch die das Unternehmen zu einem wahren Hidden Champion der Internationalisierung geworden ist…
Wir sind natürlich immer noch sehr stark in unserem wichtigsten Markt, in Deutschland, verwurzelt, in dem wir etwa die Hälfte unseres Umsatzes machen. Aber wir sind mit 32 Millionen Fahrzeugprüfungen jährlich international in der Tat zum weltweit größten Akteur in der Automobilprüfung gewachsen. Im Gesamtbereich von technischer Prüfung, Dienstleistung und Zertifizierung über das Fahrzeug hinaus sind wir weltweit das größte nicht börsennotierte Unternehmen. Unser Umsatz übersteigt die 4 Milliarden Euro. Wir beschäftigen rund 48.000 Mitarbeiter in 60 verschiedenen Ländern. Wir haben uns eine führende Position in Europa erarbeitet und decken außerhalb Europas die aus wirtschaftlicher und technologischer Sicht wichtigsten Schlüsselregionen der Welt ab. Mit unseren Kompetenzen haben wir sehr gute Chancen, global weiteres Potenzial zu erschließen. Als jemand, der kein Deutscher ist, und jemand, der 20 Jahre lang außerhalb Europas gelebt hat, freue mich darauf, als CEO von DEKRA sicherzustellen, dass unsere Reise der Internationalisierung und Globalisierung weitergeht.
“Wir sind in China in die Ökosysteme der Innovation integriert.”
DEKRA ist auch in China präsent. Wie kam es dazu?
Ich bin 2009 zu DEKRA gekommen, als das Unternehmen eine niederländische Prüfungs- und Zertifizierungsfirma übernommen hat. Bei KEMA Quality war ich für das Geschäft in China verantwortlich. Eine persönliche Anekdote im Voraus: Meine größte Leidenschaft sind die Martial Arts; das war ehrlich gesagt damals einer der Gründe, warum ich nach China wollte. Ich bin schon 2002 nach China gezogen und erst 2021 wieder nach Europa zurückgekehrt, habe also fast 20 Jahre in der Asien-Pazifik-Region verbracht. Das enorme Potenzial von Chinas Wirtschaft von Anfang zu sehen und zwei Jahrzehnte ein beispielloses Wirtschaftswachstum mitzuerleben, war ein großes Privileg und eine bestimmende Erfahrung in meinem Leben. Heute, beim Hochlauf der Elektromobilität, ist China für uns ein sehr wichtiger Markt. Das Land ist einer der größten Abnehmer für unsere technischen Dienstleistungen wie Tests, Prüfungen und Zertifizierungen. Auch angesichts eines verlangsamten Wirtschaftswachstums gibt es gute Gründe, dort vertreten zu sein. Neben der Marktgröße ist das die Innovationskraft Chinas – bei den Fahrzeugkomponenten selbst, in der Batterietechnologie und auch beim automatisierten Fahren. Wir sind vor Ort in diese Ökosysteme der Innovation integriert. Unser anfänglicher Kundenstamm aus europäischen, deutschen und westlichen OEMs und Zulieferern hat sich auf einige der führenden einheimischen Akteure erweitert.
Haben Sie da nicht Angst vor den geopolitischen Entwicklungen?
Die Phase, in der Globalisierung und wirtschaftliche Integration unaufhaltsam schienen, liegt hinter uns. Wir müssen die Realität einer stärker fragmentierten Welt akzeptieren. Neben den Vereinigten Staaten und China wird auch Europa nach wie vor eine sehr wichtige Rolle spielen. Unsere Kernaufgabe im internationalen Handel wird bleiben – nämlich in allen Wirtschaftsräumen als unabhängige Organisation technische Sicherheit und Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Ich bin also gar nicht so pessimistisch. Wir müssen die Entwicklungen, Normen und Standards vor Ort kennen. Dazu muss man überall ein sehr starker lokaler Partner sein. Auch wenn wir in einer immer stärker fragmentierten Welt navigieren müssen, werden wir unseren Weg der konsequenten Internationalisierung und Globalisierung weitergehen.
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