Als Volumenhersteller haben wir in Europa ehrgeizige Ziele
- CIIPA
- 8. Apr.
- 9 Min. Lesezeit

Welche Bedeutung hat der letzte Woche gefeierte Produktionsstart der Fabrik in Barcelona? Welche weiteren Schritte plant Chery in Europa?
Ich halte dies für einen sehr wichtigen Schritt für Chery. Mit diesem Schritt sind wir der erste chinesische Erstausrüster (OEM), der in Europa eine lokale Produktion von Personenkraftwagen aufnimmt. In der letzten Woche, der ersten Produktionswoche wurden bereits mehrere Fahrzeuge produziert. Wir werden uns im Jahr 2025 stark darauf konzentrieren, die Omoda- und Jaecoo-Produkte auf den europäischen Markt zu bringen und sie im Werk in Barcelona zu produzieren.
Bedeutet das, dass Sie nicht nur an die Produktion von EVs denken?
Angesichts der aktuellen politischen Lage halte ich es für entscheidend, die Elektrofahrzeuge so schnell wie möglich lokal zu produzieren und auf den Markt zu bringen. Unser mittelfristiges Ziel ist es jedoch, eine breite Palette verschiedener Antriebsstrangvarianten auch lokal in Europa zu produzieren.

“Ein Werk allein wird langfristig nicht ausreichen, um den zukünftigen Bedarf zu decken”
Ist das Werk in Barcelona der einzige Standort oder werden auch noch andere neue Standorte in Betracht gezogen?
Wenn Sie sich die Ziele von Chery ansehen, werden Sie feststellen, dass wir sehr ehrgeizig sind. Wir sind ein Volumenhersteller und sind überzeugt, dass allein dieses eine Werk langfristig nicht ausreichen wird, um den zukünftigen Bedarf zu decken. Daher suchen wir aktiv nach weiteren Möglichkeiten in Europa und sind der Meinung, dass in den nächsten Jahren noch mehr folgen werden.
Statt also Produkte nur aus China nach Europa zu exportieren, plant Chery neue Produktionsstätten, um seine langfristigen Ziele im Volumen zu erreichen?
Ja, genau. Unsere Unternehmenskultur war immer so, dass wir in neue Märkte eintreten, ein bestimmtes Verkaufsniveau erreichen und dann mit der lokalen Produktion beginnen. Genau das ist auch unsere Strategie in Europa. Das Werk in Barcelona hat eine maximale Kapazität von etwa 50.000 bis 200.000 Fahrzeugen pro Jahr. Es wird zwar eine Weile dauern, diese Zahl zu erreichen, aber langfristig streben wir eine noch höhere Produktionsmenge an.
Welche Rolle spielen die deutschen und europäischen Zulieferer als Kooperationspartner in der globalen Wertschöpfungskette von Chery?
Die europäischen Zulieferer sind bereits jetzt ein wesentlicher Rückhalt für die Entwicklung all unserer Fahrzeuge. Wir arbeiten schon seit langem mit großen Zulieferern wie Bosch, Continental und Hella zusammen. Derzeit legen wir verstärkten Fokus auf diesen Bereich, da mit der Lokalisierung unserer Fahrzeuge auf dem europäischen Markt offensichtlich große Chancen bestehen, mit diesen großen europäischen Zulieferern oder Tier-1-Zulieferern zusammenzuarbeiten, um die lokale Produktion von Fahrzeugkomponenten in Europa zu realisieren und unsere lokale Zulieferbasis zu stärken.
" Die europäischen Zulieferer sind für uns bereits jetzt ein wesentlicher Rückhalt."

Welche Perspektiven gibt es für R&D-Zentren in Europa?
Wir haben vor sechs Jahren ein Forschungs- und Entwicklungszentrum gegründet, und dafür gibt es einen klaren Grund. Wir sind der festen Überzeugung, dass es für den Erfolg auf dem europäischen Markt entscheidend ist, den europäischen Kunden zu verstehen und zu wissen, in welchen Bereichen sich unsere Autos bei europäischen Modellen von chinesischen Modellen differenzieren müssen.
Ich nehme immer die Sicherheit als Beispiel. In der Fahrzeugentwicklung sprechen wir bei der Fahrzeugsicherheit von passiver Sicherheit, die alles umfasst, was mit Kollisionen zu tun hat, und von aktiver Sicherheit, die alle Fahrassistenzfunktionen beinhaltet, die darauf abzielen, Unfälle zu verhindern. In Bezug auf die passive Sicherheit sehen wir daher keinen wirklichen Unterschied zwischen dem chinesischen Markt und dem europäischen Markt.
Wenn wir die aktive Sicherheit betrachten, einschließlich aller Fahrassistenzsysteme, unterscheiden sich die Verkehrsschilder in Europa von denen in China, und die Kameras müssen in der Lage sein, diese zu erkennen. Auch die Verkehrssituationen sind sehr unterschiedlich. In großen Städten in China ist die Verkehrsdichte viel höher als in Europa, und das Fahren auf Autobahnen unterscheidet sich ebenfalls erheblich von dem in Europa. Daher müssen wir in diesen Bereichen viel Zeit und Aufwand vor Ort investieren, um unsere Fahrzeuge abzustimmen, zu kalibrieren und zu validieren, damit sie den Anforderungen der europäischen Kunden gerecht werden.
Wurden in den letzten Jahren bereits einige speziell für den europäischen Markt maßgeschneiderte Modelle entwickelt?
In den ersten drei Jahren nach Gründung lag unser Fokus stark auf dem Design. Wir haben ein lokales Design-, Styling- und Kreativteam aufgebaut, das der Organisation hilft, die europäischen Kundenwünsche in die frühesten Entwicklungsphasen der Produkte einfließen zu lassen. Die Fahrzeugentwicklung in China verläuft schneller als in Europa, aber es dauert dennoch zwei bis drei Jahre, um ein völlig neues Auto zu entwickeln. Deshalb war es wichtig, frühzeitig in diesen Prozess einzugreifen. In den ersten Jahren haben wir hauptsächlich Designimpulse gegeben. In den letzten drei Jahren haben wir uns jedoch stärker darauf konzentriert, Fahrzeuge aus China zu übernehmen, diese anzupassen, Komponenten zu verändern und mit unserem Team vor Ort viel Feintuning vorzunehmen, um die Präferenzen der europäischen Kunden zu erfüllen.
Im Unterschied zu anderen chinesischen Herstellern setzt Chery auf dem Markt nicht nur auf reine Elektrofahrzeuge, sondern auch auf Verbrennungsmotoren. Was ist der Hintergrund dieser dualen Strategie?
Wie bereits erwähnt, sind wir ein Volumenhersteller. Aus unseren globalen Verkaufszahlen geht hervor, dass die Akzeptanz für Elektro- oder elektrifizierte Fahrzeuge auf dem Markt deutlich zunimmt. Allein im letzten Monat hat Chery weltweit etwa 100.000 Elektrofahrzeuge oder neue Energiefahrzeuge verkauft, was etwa 35 % bis 40 % unserer Gesamtproduktion ausmacht. Die Situation auf dem europäischen Markt weist jedoch nach wie vor erhebliche Unterschiede auf. In Ländern wie den Niederlanden und Norwegen ist die Akzeptanz von neuen Energiefahrzeugen sehr hoch, in den Niederlanden bei etwa 85 % und in Norwegen bei etwa 50 % bis 60 %. In Ländern wie Griechenland, Spanien und einigen anderen südosteuropäischen Ländern liegt die Akzeptanz jedoch bei weniger als 5 %.
Wir möchten ein volumenstarker Akteur auf dem europäischen Markt werden, jedoch nicht nur in einzelnen Märkten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir die Produkte bereitstellen, die die lokalen Kunden wirklich benötigen. Ein Beispiel dafür ist Spanien, wo wir unser Produkt zuerst eingeführt haben, und wo nach wie vor eine hohe Nachfrage nach Verbrennungsmotoren besteht. Gleichzeitig erkennen wir jedoch auch den Bedarf an einer weiteren CO2-Reduktion. Unter den Anforderungen der europäischen CAFE (Corporate Average Fuel Economy)-Regelung ist es für uns daher klar, dass wir die gesamte Palette an Antriebsalternativen entwickeln und anbieten müssen – von Verbrennungsmotoren (ICE) über Hybridfahrzeuge (HEV), Plug-in-Hybride (PHEV) bis hin zu rein elektrischen Fahrzeugen (BEV).
Der europäische Automobilmarkt weist einige Besonderheiten auf, da Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEVs) hier ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Daher stellt sich die Frage, ob neben Elektrofahrzeugen auch Plug-in-Hybridfahrzeuge (PHEVs) Teil der Strategie sein könnten?
Absolut, wir haben diesen Trend in China in den letzten Jahren beobachtet. Ehrlich gesagt, hätte vielleicht niemand erwartet, dass sich PHEVs in China so schnell durchsetzen würden. In Europa wird seit langem und immer noch intensiv über PHEVs diskutiert. Was wir jedoch anders machen, ist, dass wir PHEVs mit ziemlich großen Batterien anbieten, die eine gute reine Elektro-Reichweite ermöglichen. Dadurch können die Menschen Elektrofahrzeuge für den täglichen Pendelverkehr nutzen, ohne sich Sorgen um die Reichweite zu machen, wenn sie längere Fahrten unternehmen.
Als global erfolgreiches OEM, was halten Sie für notwendig, insbesondere in Deutschland, um die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen zu erhöhen und die ehrgeizigen nationalen Ziele zu erreichen?
In Deutschland sehe ich vor allem drei Hauptfaktoren. Der erste ist die Reichweitenangst. Meiner Ansicht nach fehlt es vielen Menschen an ausreichendem Wissen über Elektroautos und können nicht erkennen, dass ein Elektrofahrzeug für 95% ihrer täglichen Bedarfs völlig ausreichend ist. Obwohl es jedes Jahr vielleicht einige wenige längere Reisen gibt, für die man eine spezielle Planung braucht.
Der zweite Faktor, aus politischer Sicht ist dies derzeit der entscheidendste Aspekt: Es fehlt an einem klaren und konstanten Planungsrahmen. Daher fühlen sich die Menschen unsicher, ob bald Subventionen eingeführt werden, die den Kauf von Elektroautos günstiger machen. Denn wir sehen, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem die ersten Elektroautos möglicherweise bald mit den Preisen von Verbrennungsmotorfahrzeugen (ICE) gleichziehen werden. Ich erwarte, dass wir zu diesem Zeitpunkt auch einen Wendepunkt in der Akzeptanz sehen werden. Denn wenn die Leute sehen, „Ich kann dieses Auto für weniger Geld bekommen als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor“, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie viel eher bereit sein werden, auch einige Kompromisse im täglichen Gebrauch einzugehen.
Und daher ist der dritte Faktor eng damit verbunden: die Preisgestaltung. Letztendlich dreht sich alles um die Kosten. Dies birgt für Verbraucher ein gewisses Risiko, da sie nicht genau abschätzen können, was mit ihrem Fahrzeug geschieht, wenn sie es nach drei oder fünf Jahren verkaufen möchten. Denn der Restwert von Elektrofahrzeugen ist ein völlig neues Thema, zu dem es bislang nur begrenzte Erfahrungen gibt. Wir beobachten, dass die Preise für Batterien und Elektroautos sinken, was dazu führen könnte, dass Verbraucher den Kauf eines solchen Fahrzeugs als riskant ansehen, da sie die zukünftige Entwicklung nicht einschätzen können. Derzeit sehen wir, dass Elektrofahrzeuge zu einem viel höheren Prozentsatz nicht direkt gekauft, sondern beispielsweise über Leasing genutzt werden.
Was erwarten Sie von den Diskussionen über Zölle zwischen den USA und der EU?
Meine persönliche Meinung ist, dass Zölle in den meisten Fällen nur kurzfristige Auswirkungen haben können. Die kurzfristigen Effekte werden zu Beginn besonders wahrgenommen, aber langfristig könnten sie negative Folgen haben. Für eine globalisierte Branche halte ich Zölle nicht für eine gute Sache. Dennoch bestätigt das, was gerade passiert, nur, dass Cherys globale Strategie in den letzten Jahren richtig war, denn, wie ich zuvor erwähnt habe, versuchen wir bei jedem Markteintritt, für den lokalen Markt zu lokalisieren. Wenn wir also Produktionsstätten in Europa haben, wird das Thema europäische oder EU-Zölle für uns offensichtlich kein Thema sein. Wir haben auch Produktionsstätten in Südamerika, um für Südamerika lokal zu sein, sowie Werke in Südostasien. In den USA haben wir noch keine konkreten Schritte unternommen. Daher werden wir genau beobachten, was passiert, und entsprechend reagieren. Dennoch ändert dies nichts an unserer zentralen globalen Strategie, lokal für lokal zu sein.
Langfristig betrachtet, können wir diese Zollmaßnahmen nur als kurzfristige Lösungen sehen, da die globale Zusammenarbeit der Haupttrend ist?
Offensichtlich kann ich keine politischen Themen vorhersagen, aber wie ich bereits zuvor erwähnt habe, denke ich persönlich, dass die Einführung von Zöllen der lokalen Industrie nur für einen sehr kurzen Zeitraum bei den lokalen Verkäufen helfen wird. Aber die heutige Wirtschaftswelt ist so miteinander verknüpft. Diese Effekte gehen nicht nur in eine Richtung. Man sieht es bei den europäischen OEMs, die in China für Europa produzieren – sie stehen vor sehr ähnlichen Herausforderungen. Langfristig betrachtet bedeutet dies, dass man letztlich qualitativ hochwertige, preiswerte Produkte vom lokalen Markt ausschließt, was zu steigenden Verbraucherpreisen führen wird. Dadurch könnte die Inflation ansteigen, was nicht im Interesse dieser Volkswirtschaften liegt. Wie bereits erwähnt, ist das meine persönliche Meinung zu Zöllen. Hoffen wir, dass die Welt, wie du es erwähnt hast, die Denkweise der globalen Zusammenarbeit erkenn.
Könnte es in diesem Szenario sein, dass Ihre Markteinführung oder die Errichtung von Produktionsstandorten immer mehr Zulieferer aus China anzieht, da auch diese den europäischen Markt erschließen möchten?
Ich bin definitiv der Meinung, dass unsere Lokalisierung in Europa eine große Chance für die lokalen Tier-1-Zulieferer darstellen wird. Wie ich bereits sagte, arbeiten sie schon mit uns zusammen, sie sind mit dem Markt hier vertraut und haben bereits Produktionsstätten in Europa, die in Betrieb sind. Gleichzeitig bietet es auch eine wichtige und gute Gelegenheit für andere chinesische Tier-1-Zulieferer, die mit uns in China zusammenarbeiten. Als chinesische OEMs können sie diese Gelegenheit nutzen, um ihre Lokalisierung auf dem europäischen Markt voranzutreiben.
Ich möchte noch eine kurze Frage hinzufügen, da wir in den letzten Wochen festgestellt haben, dass China die visumfreien Länder auf Europa ausgeweitet hat. Bürger aus über 38 Ländern können nun für etwa einen Monat ohne Visum nach China reisen. Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf Einzelpersonen oder Unternehmen ein?
Das hat einen sehr positiven Einfluss, weil jeder von der „China-Geschwindigkeit“ spricht, richtig? Wenn man die „China-Geschwindigkeit“ erleben möchte, aber trotzdem ein Visum beantragen muss, geht diese Geschwindigkeit verloren. Ehrlich gesagt waren wir in der Vergangenheit sehr schnell bei der Beantragung und Genehmigung von Visa. Aber jetzt, wenn in China etwas passiert, bei dem wir gebraucht werden, und wir kurzfristig nach China fliegen müssen, um ein Auto zu bewerten, können wir problemlos einen Flug buchen und am nächsten Tag abfliegen. Für unser Team in Europa könnte es noch einfacher sein, da wir derzeit Mitarbeiter aus fast 20 verschiedenen Ländern haben. Auch wenn nicht alle diese Länder unter den 38 genannten Ländern sind, können die meisten unserer Mitarbeiter jetzt relativ frei nach China reisen, was uns sehr hilft. Dennoch gibt es nach wie vor eine gewisse Anzahl von Mitarbeitern, die den gesamten Visumantragsprozess durchlaufen müssen.
Könnten die Öffnungsmaßnahmen Chinas positive Auswirkungen mit sich bringen?
Ja, ich persönlich denke, dass dies sehr positive Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft und Effizienz haben kann. Denn in vielen Fällen, wie bei Chery als chinesischem Unternehmen, gilt: Je besser wir das Unternehmen lokal in China unterstützen, desto effizienter wird es. Unser Hauptziel ist es, möglichst alle Arbeiten, die in China erledigt werden können, auch in China zu behalten.
Sie haben bereits den Kostenvergleich angesprochen. Wir wissen alle, dass ein Ingenieur in Deutschland im Durchschnitt deutlich teurer ist als ein Ingenieur in China, was für uns natürlich einen großen Vorteil darstellt. Daher sehen wir keinen Grund, einfach das, was wir in China tun, zu kopieren und hier zu wiederholen. Unser Ziel ist es, mit unserem Team in Europa auf die Themen zu fokussieren, die unserer Meinung nach hier erledigt werden müssen. Wir nennen das „Delta Engineering“. Dabei geht es uns ausschließlich um das Delta, also den Unterschied zwischen dem, was ein chinesisches Auto benötigt, um in China erfolgreich zu sein, und dem, was es braucht, um auch in Europa erfolgreich zu sein. Wir wollen uns nur auf dieses spezifische Delta konzentrieren und mit den Menschen hier daran arbeiten.
Deshalb denke ich, dass es umso besser für das Unternehmen und die gesamte Betriebseffizienz ist, je besser wir dem chinesischen Team helfen können, zu verstehen, welche Arbeiten lokal in China erledigt werden können, um das richtige Auto für den europäischen Markt zu entwickeln.
Interview geführt von Hans Gäng, local global GmbH
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